Wikipediabeiträge von Unternehmen stellen Schleichwerbung dar

Wikipediaeinträge von Unternehmen stellen Schleichwerbung dar
Wikipediaeinträge von Unternehmen stellen Schleichwerbung dar
Wikipediabeiträge von Unternehmen stellen Schleichwerbung dar, wenn Sie für die Unternehmen förderlich sind. Dies gilt auch, wenn es anhand der Diskussionsseite erkennbar ist, dass sie von den Unternehmen selbst stammen.

Erst vor kurzem habe ich an dieser Stelle über das Verbot der Schleichwerbung und das Transparenzgebot geschrieben. Die Quintessenz lautete:

Jede Aussage, in der ein Unternehmen sich oder seine Leistungen anpreist, muss als Werbeaussage erkennbar sein. Es handelt sich wettbewerbswidrige Schleichwerbung, wenn ein Verbraucher nicht erkennen kann, dass hinter der Aussage das Unternehmen selbst steht.

Nunmehr hat das OLG München im Urteil vom 10.05.2012 (Az.: 29 U 515/12) gesagt, dass sogar

  1. Wikipediabeiträge eines Unternehmens und
  2. Kritik an einem Konkurrenten Schleichwerbung darstellen können.

Das ist äußerst brisant, weil sehr viele Unternehmen damit plötzlich wegen nicht geahnter Wettbewerbsverstöße abgemahnt werden könnten. 

Wikipediabeitrag als Schleichwerbung

In dem Wikipedia-Fall äußerte sich der Geschäftsführer eines Unternehmens in einem Wikipediaartikel negativ über die Produkte eines Mitbewerbers. Der Geschäftsführer verteidigte sich damit, dass es seine private Meinung war, Wikipediabeiträge keine Werbung darstellen und zudem aus der Diskussionsseite zum Wikipediaartikel erkennbar war, dass er hinter den Einträgen stand. Ein Hinweis im Artikel selbst war nicht möglich, da Wikipediaartikel keine Hinweise zu den Autoren enthalten.

Das Gericht ging nicht auf diese Argumente ein und befand:

  • Wikipediabeiträge, die für ein Unternehmen günstig sind, stellen Werbung dar.
  • Wenn der Geschäftsführer des Unternehmens einem solchen Beitrag verfasst, ist dieser dem Unternehmen zuzurechnen.
  • Es reicht nicht aus, dass der Unternehmensbezug aus der Diskussionsseite erkennbar ist. Diese schaut sich der durchschnittliche Verbraucher in der Regel nicht an.

Das ist ein harter Schlag für alle Unternehmen, die sich an der Wikipedia beteiligen. Denn damit stellt praktisch jeder vom Unternehmen verfasste Wikipediabeitrag, der  auch nur im entferntesten dem Unternehmen dient, Schleichwerbung dar.

Hinweis: Aussagen von Geschäftsführern, Marketingmitarbeitern oder Mitarbeitern während der Arbeitszeit werden fast immer dem Unternehmen zugerechnet. Es ist ein Schweres das Gegenteil nachzuweisen. Mehr dazu finden Sie in dem Beitrag „Der legale Weg zum Like – rechtliche Grenzen auf der Jagd nach positiven Bewertungen„.

Kritik an Mitbewerbern

Dass eine verschleierte Anpreisung eigener Produkte Schleichwerbung darstellt, ist vielen bewusst. Dass aber auch die Kritik an den Leistungen von Konkurrenten mit offenem Visier erfolgen muss, wissen die wenigsten. Ich wiederhole regelmäßig, dass in sozialen Medien von Aussagen über Wettbewerber wegen möglicher Wettbewerbsverstöße (unerlaubter Vergleich, Herabsetzung, etc.) besser Abstand zu nehmen ist. Dieser Fall ist ein weiteres Argument dafür, warum Stellungnahmen zu Konkurrenten nicht ohne eine juristische Vorprüfung erfolgen sollten.

PaJi - Entfernte Bewertung
Ein Aktuelles Beispiel von Konkurrenzkritik ist die negative Bewertung der Mobile Payment App Paij durch den CEO eines Startups, das ebenfalls eine Mobile Payment App anbietet. Ich kann nicht abschließend beurteilen, inwieweit der CEO als solcher erkennbar war. Der Screenshot der (mittlerweile entfernten) Bewertung spricht jedoch eher dagegen.

Fazit und Praxistipp

Rechtsanwalt Ferner zieht das negative Resümee, dass Unternehmen keine Wikipediabeiträge verfassen sollten. Dem kann ich leider nur zustimmen, wenn es um Beiträge geht, die das Unternehmen oder dessen Leistungen irgendwie fördern. Haben Sie solche Beiträge verfasst und fürchten, dass die Konkurrenten dies ausnutzen könnte, sollten Sie die Einträge löschen.

Ich kann mir vorstellen, dass Unternehmen nunmehr dazu übergehen werden, die Beiträge nur noch durch Agenturen oder sonst auf Umwegen vornehmen zu lassen. Dabei sollte allen Beteiligten klar sein, dass die Handlungen der beauftragten Dritten dem Unternehmen zugerechnet werden. Die Agenturen sollten ihre Auftraggeber auf dieses Risiko hinweisen.

Es wäre zudem interessant zu wissen, wie die Wikipediaverantwortlichen auf dieses Urteil reagieren werden. Wegen des Gefahrenpotentials ist damit zu rechnen, dass auch Beiträge von Unternehmen, die die Grenze zur Schleichwerbung nicht überschreiten, abnehmen werden.

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Wikipediabeiträge von Unternehmen stellen Schleichwerbung dar

9 Gedanken zu „Wikipediabeiträge von Unternehmen stellen Schleichwerbung dar

  1. Habe mir das Urteil noch nicht im Volltext angesehen. Aus dem obigen Beitrag kann ich nicht erkennen, dass eine Änderung am eigenen Artikel automatisch werblich ist und damit Schleichwerbung darstellt. Werbliche Aussagen über das eigene Unternehmen oder eigene Produkte haben in der Wikipedia ohnehin nichts zu suchen und solche Beiträge – erst recht von Unternehmensseite – haben schon immer den einschlägigen Wikipedia-Richtlinien widersprochen. Sachliche Änderungen – wie zum Beispiel die Aktualisierung von Umsatzdaten oder das Füllen von Lücken im Bereich der Unternehmensgeschichte – würde ich laienhaft nicht als „werblich“ ansehen (sofern sachlich und mit externen Quellen belegt). Unbestritten: Vorsicht war und ist natürlich immer angesagt, wenn man als Unternehmen in der Wikipedia tätig wird.

    1. Danke Dir Arne, das Problem ist der Maßstab den Richter an die Werblichkeit legen. Grundsätzlich ist fast alles was ein Unternehmen von sich gibt und das der Förderung des Absatzes dient, werblich (sehr weite Definition). Ich persönlich würde es bei objektiven Einträgen in der Wikipedia genauso wie Du sehen. Lässt sich aber ein Richter auf diese besonderen Umstände nicht ein (wovon ich bei vielen Richtern ausgehe), hat derjenige Pech.

      1. Sollte mal ein Fall von sachlichen Änderungen durch ein Unternehmen vor Gericht landen, hilft bis zu einem gewissen Grad wohl ein guter Anwalt weiter 😉 Ich habe in der Vergangenheit in Wikipedia-Angelegenheiten fast durchweg positive Erfahrungen mit Richtern gemacht. Wenn man sich etwas Mühe gibt, ihnen die Zusammenhänge darzulegen, dann verstehen und würdigen sie meist auch die besonderen Umstände.

        In der deutschsprachigen Wikipedia ist es zudem so, dass Unternehmen Artikel meist nicht im Alleingang ändern können. Änderungen müssen erst durch einen erfahrenen Wikipedianer gesichtet werden, bevor sie in den Artikel einfließen. Unternehmen unterbreiten letztlich also nur Änderungsvorschläge, die angenommen oder verworfen werden können. Nicht viel anders als bei der klassischen PR-Arbeit, bei der Redakteure entscheiden, welche Inhalte des Unternehmens sie sich zu eigen machen.

        Gibt natürlich auch andere Situationen. Wenn man aber weiß, was genau man da tut, halte ich das Risiko für überschaubar. Viele Unternehmen wissen das natürlich nicht, aber die hatten auch schon vor diesem Urteil ein Problem.

  2. Ich möchte mich Arne Klempert vollinhaltlich anschliessen! Und: Der Eintrag von Fakten zum Unternehmen (keine Meinungen oder Werbeaussagen) muss erlaubt und gestattet sein. Im übrigen gehören auch berühmte Werbeeslogans, die Unternehmen bekannt gemacht haben (Geiz ist geil, 25 Prozent auf alles …usw.), m.E. in diese Kategorie. Ich kann mich ihrem „Praxistipp“, keine Beiträge zu verfassen, überhaupt nicht anschliessen. Sie sind m.E. rechtens solange sie die Wikipedia-Richtlinien einhalten – damit sind werbliche Aussagen sowieso ausgesschlossen.

    1. Eine völlig vertretbare Meinung der ich mich privat gerne anschließe. Als Anwalt muss ich jedoch auf die möglichen Risiken hinweisen, daher differieren die Meinungen da ab und an.

  3. Hallo Herr Schwenke,
    wie schätzen Sie die Situation für Verbände, Vereine ein?
    Gelten hier die gleichen Maßstäbe wie für Unternehmen?

    Danke für eine Information

    1. Im Prinzip gilt dasselbe, aber hier sehe ich kaum ein Risiko. Dieses Urteil wird m.E. nur bei Konkurrenzkämpfen verwendet. Da ist oft jedes Mittel recht. Bei Organisationen sind, zumindest mir, solche Fälle nicht bekannt.

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