Nach BGH Urteil: Abmahnungsrisiko bei "Tell-a-Friend"-Empfehlungsemails minimieren (Checkliste)

Empfehlungsemail - Tell-a-Friend
Nach der BGH-Entscheidung ist zu befürchten, dass Empfehlungsemails von Gerichten als Spam angesehen werden.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden (BGH, Urt. v. 12.9.2013 – I ZR 208/12), dass Tell-a-Friend-Emails abmahnbaren Spam darstellen. Ich denke jedoch, dass die Richter allzusehr durch den konkreten Fall beeinflusst wurden.

Daher verbleibt m.E. noch ein rechtlicher Spielraum, in dem sich Empfehlungsfunktionen wirtschaftlich sinnvoll einsetzen lassen können. Welche Punkte dabei zu beachten sind, erkläre ich Ihnen mit Hilfe einer Checkliste in diesem Beitrag.

Die besondere Konstellation des BGH-Urteils

Der Entscheidung des BGH lag kein typischer Empfehlungsfall zugrunde. Der Kläger erhielt insgesamt über 10 E-Mails und 8 davon, nachdem er eine Abmahnung ausgesprochen und sich zusätzlich beschwert hatte.

Das heißt, hier lief das Versand- und Blacklistsystem anscheinend völlig aus dem Ruder. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des BGH daher so hart ausgefallen ist.

Empfehlungsemails stellen Werbung dar

Der BGH bestätigte zuerst, dass Empfehlungsemails per se „Werbung“ im Sinne des § 7 Abs.2 UWG darstellen. Das sehe ich auch so, da man ihnen eine „Anlock“-Funktion nicht absprechen kann. Ferner fanden die Richter, dass schon eine Empfehlungsemail so belästigend ist, dass man sie abmahnen lassen kann.

Weiter Werbebegriff: Unter Werbung ist praktisch jede Tätigkeit eines Unternehmens zu verstehen. Augenommen ist die Abwicklung von Geschäftsbeziehungen, wie z.B. der Rechnungsversand. D.h. auch Imagewerbung und Sponsoring fallen unter den Begriff Werbung (z.B. stellt ein Mailing mit einem Spendenaufruf für ein pro bono Projekt des Unternehmens einwilligungspflichtigen Werbeversand dar).

Schon eine Empfehlungsemail ist abmahnbar

Der BGH legte seiner Entscheidung das in Spamentscheidungen klassische „Summierungs“-Argument zu Grunde:

Wenn ein Unternehmen eine Spam-E-Mail unbehelligt senden dürfte, müsste ein Verbraucher mit hunderten E-Mails von jeweils unterschiedlichen Unternehmen leben. Das ist dem Verbraucher jedoch nicht zuzumuten.

Diese „Additionsgefahr“ ist meines Erachtens auf Empfehlungsmails nicht übertragbar. Denn die Zahl der Empfehlungsmails ist im Vergleich zu klassischem Spam verschwindend gering. Die Konstellation ist auch eine andere, da hier Nutzer manuell (!) E-Mails versenden müssen. Ähnlich kritisch sieht es auch Kollege Schirmbacher.

Außerdem denke ich, dass sich das Risiko einer Abmahnung mit den folgenden Maßnahmen erheblich senken lässt:

Checkliste – Risikominimierung

Gehen Sie diese Checkliste ab und prüfen Sie, inwieweit Ihr System diese Voraussetzungen erfüllt. Je mehr Punkte Sie erfüllen, desto besser. Die Blacklist und die zahlenmäßige E-Mailbeschränkung halte ich für unverzichtbar:

  • Eine E-Mail pro Empfänger: Das System sollte nur eine Empfehlungsmail pro Empfänger-Emailadresse zulassen dürfen. Je nach Fall kann dies z.B. auf eine E-Mail pro Monat/Woche/Tag eingeschränkt werden.
  • Einschränkungen beim Absender: Auch die Absender sollten nur eine eingeschränkte Zahl von Empfehlungen versenden dürfen.
  • Geschlossene Nutzersysteme: Die Gefahr sinkt erheblich, wenn die Empfehlungen nur für registrierte Nutzer, z.B. eines Shops, möglich sind.
  • Blacklist: Eine Blacklist, innerhalb der gesperrte E-Mailadressen gespeichert werden, ist unentbehrlich. Wichtig, die Adressen müssen aus datenschutzgründen verschlüsselt (Hashwerte) nur zu Vergleichszwecken gespeichert werden.
  • Protokollierung: Halten Sie den Zeitpunkt und die E-Mail der versendeten Nutzer in der Datenbank fest, weisen Sie sie jedoch deutlich darauf hin. Speichern sie nicht die Daten der Emailempfänger.
  • Sperrlink: Bieten Sie den Empfängern  in der Empfehlungsemail einen Link, mit dem sie sich selbst auf Ihre Blacklist eintragen lassen können.
  • Empfehlender Nutzer als Absender: Setzen Sie den Namen und die E-Mailadresse des Nutzers, der die Empfehlung verfasst hat, als Absenderangaben der E-Mail. Schreiben Sie im E-Mailtext, dass die Email durch den Nutzer versendet worden ist.
  • Keine Werbung: Der durch Sie vorgegebene Inhalt der Empfehlungsmail darf nur verweisend und nicht anpreisend sein. Am besten stellen Sie nur einen Link zu der empfohlenen Website bei und lassen die Nutzer den E-Mail-Texte selbst schreiben. Oder formulieren nur sachlich vor „Hallo! Ich empfehle Dir die Website: http://…
  • Keine Incentives: Bieten Sie Nutzern keine Rabatte oder sonstige Vorteile und Anreize für die Empfehlung.
  • Hinweise an Nutzer: Weisen Sie die Nutzer daraufhin, dass Empfehlungsemails nur unter einer Bedingung versendet werden dürfen: wenn sie damit rechnen können, dass der/die Empfängerin sich über die E-Mail nicht belästigt fühlt.
Empfehlungsemail - Sperrung
Die Möglichkeit weiteren E-Mailversand wirkungsvoll und einfach verhindern zu können, wirkt wie ein Blitzableiter, wenn jemand sich belästigt fühlt.

Welches Risiko bleibt?

Das BGH Urteil ist jetzt in der Welt und ich gehe davon aus, dass sich die Gerichte erster Instanz an den Wortlaut des BGH halten werden. D.h. die Wahrscheinlichkeit in erster Instanz zu unterliegen ist groß. Jedoch wissen Anwälte, dass eine unterschiedliche Sachlage vor allem in höheren Instanzen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Sie werden dies berücksichtigen, bevor sie ihren Mandanten zu Abmahnungen raten.

Nach meiner Erfahrung ist das Risiko sehr von der Branche abhängig. So wäre z.B. das Risiko bei einem „Kunden-werben-Kunden„-System einer Bank viel geringer, als Linkempfehlungen eines kostenpflichtigen Pokerspiels.

Fazit

Die Entscheidung mag aufgrund des besonderen Sachverhaltes weniger einschränkend sein, als man denkt. Dennoch sind Empfehlungsemails von nun an als Spam stigmatisiert und nur noch unter Beachtung vieler Vorsichtsmaßnahmen zu empfehlen.

Den Aufwand für die technische Umsetzung und die verbleibenden rechtlichen Gefahren müssen Sie mit den wirtschaftlichen Vorteilen Ihrer Empfehlungsemails aufrechnen. Nur, wenn sich die Empfehlungsemails dann wirtschaftlich immer noch lohnen, kommt deren Einsatz überhaupt in Frage.

Update 17.10.2014

abmahnung_empfehlungsfunktion_amazon
Händler sollen für die E-Mail-Empfehlungsfunktionen von Amazon.de haften. Fraglich ist, jedoch ob die Empfehlungen überhaupt in deren Namen versendet werden.

Die Kanzlei Dr.Bahr mahnt im Namen derer Mandanten die Empfehlungsfunktionen bei Amazon und ebay ab. Grundsätzlich müssen Sie auch für die wettbewerbswidrigen Empfehlungsemails haften, die zwar von einer Handelsplattform eingerichtet werden, aber in Ihrem Namen versendet werden.

Ob die vorliegenden Abmahnungen berechtigt sind, ist nicht nur nach meiner Ansicht zumindest im Fall von Amazon fraglich, da der Versand im Namen von Amazon und nicht im Namen der Händler erfolgt (So. auch Shopbetreiber-Blog und RA Dr. Schirmbacher). Das heißt, Sie sollten keineswegs vorschnell die Unterlassungserklärung abgeben. Im Fall von ebay fragt sich RA Plutte zudem zu recht, ob ebay nicht für die Zurverfügungstellung einer rechtswidrigen Funktion haften muss.

Update 04.11.2014

Das LG Arnsberg (Urteil vom 30.10.2014, Az. I-8 O 121/14) hat entschieden, dass Händler nicht für die Weiterempfehlungsfunktion von Amazon haftet (mehr zum Urteil im Shopbetreiber-Blog). Ein Berufungsverfahren wurde durch den abmahnenden Anwalt jedoch bereits angekündigt.

Update 29.07.2015

Das OLG Hamm (Urteil vom 09.07.2015 – I-4 U 59/15)  hat in dem Berufungsverfahren das Urteil des LG Arnsberg aufgehoben. Dabei rechnete das Gericht dem Händler die versendeten Empfehlungsmails zu und sah dies auch angesichts des Umstandes, dass nur registrierte Amazon-Benutzer Empfehlungen, und zwar für jeweils ein Produkt an jeweils eine Adresse versenden konnten.

[callto:spam_double]

Nach BGH Urteil: Abmahnungsrisiko bei "Tell-a-Friend"-Empfehlungsemails minimieren (Checkliste)

24 Gedanken zu „Nach BGH Urteil: Abmahnungsrisiko bei "Tell-a-Friend"-Empfehlungsemails minimieren (Checkliste)

  1. Hallo Herr Schwenke,

    vielen Dank für Ihre Ausführungen!
    Sehr gut finde ich Ihre Empfehlungen (z.B. die Tell-a-Friend-Funktion ausschließlich registrierten Usern zur Verfügung zu stellen sowie die Absendermaskierung der Tell-a-friend-E-Mail).

    Ich möchte noch eine weitere Variante ins Spiel bringen:

    Die Absender-Verifikation per Opt-In im Falle einer Tell-a-friend-Funktion für nicht-registrierte User. Das Empfehlungsschreiben wird nur versandt, wenn der vermeintliche Absender einen Bestätigungslink innerhalb einer Bestätigungsmail betätigt, die an die im „Tell-a-friend“-Formular eingegebene Absenderadresse gesandt wird. So scheiden nicht-existente Fake-Absender-Adressen aus. Optimaler Weise würde dies technisch so umgesetzt, dass das Opt-In-Verfahren nur für registrierte User der Web-Plattform der verantwortlichen Stelle nicht greift.

    Beste Grüße aus Bonn

    M. Atzert

  2. Hallo Thomas,

    ich habe mich auch intensiv mit dem Urteil beschäftigt. Wie siehst du dieses Problem:

    Bei einem Tool, welches der Konstellation des BGH entspricht (vorgefertigter Text des Unternehmers wird ohne Editiermöglichkeit durch den Dritten verschickt), liegt m.E. dann ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 TMG vor, wenn der Dritte als Absender genannt wird, da m.E. der eigentliche Absender (Verfasser des Textes) der Unternehmer ist.

    Muss der Text vom Dritten dagegen vollständig eigenständig geschrieben werden – ohne jegliche Vorgaben durch den Unternehmer – dann kann auch dieser als Absender angegeben werden.

    Viele Grüße
    Martin

    1. Ich sehe das auch sowie der Kollege Martin Rätze: Gibt man automatisiert als Absenderadresse (im E-Mail-Adressfeld) die Adresse des Nutzers an, der die Tell-a-Friend Funktion verwendet (und dann auf den Senden Button drückt), kann dahinstehen, ob der Anbieter dann noch Täter (oder eben nur noch Störer) im Sinne des oben genannten Urteils ist, in jedem Fall verstößt er gegen § 6 Abs. 2 TMG weil er die wahre Herkunft der E-Mail verschleiert.
      Absender im Sinne von § 6 Abs. 2 TMG ist der technische Absender, nicht derjenige, der die Absenderadresse einträgt und den Senden Knopf drückt. Der wahre technische Versender lässt sich mit einem Blick in den eigentlichen E-Mail Header erkennen, denn zumindest der erste Mail Server trifft in der Regel zu und die erstere IP Adresse des Absenders ist nur mit großer Mühe zu verschleiern.
      § 6 Abs. 2 TMG soll nämlich davor schützen, dass der technische Versender verschleiert wird. Die Norm will es einem E-Mail Empfänger ermöglichen, schon an der Absenderadresse und der Betreffzeile der E-Mail zu erkennen, ob er der Nachricht vertrauen will. Die Gesetzesbegründung führt aus, dass die Vorschrift einen Nutzer davor schützen soll, dass er versehentlich eine E-Mail öffnet, deren Herkunft er misstraut (oder deren E-Mail Adressen er in einem automatisierten Filter auf eine White-List gesetzt hat) und sich so z.B. unfreiwillig Schadsoftware aussetzt.
      Ich glaube deshalb, dass man mit dem Ratschlag, die E-Mail-Adresse des Nutzers anzugeben, seinem Mandanten einen Lichasdienst erweist – zumindest aber eine Unsicherheit ergänzt.
      Was soll man also raten? Das Problem des § 6 Abs. 2 TMG lässt sich lösen, wenn man z.B. einen E-Mail-Client auf dem Rechner des Nutzers öffnet (mailto) und die E-Mail darüber versendet. Dann stimmen technischer Absender und die E-Mail-Adresse im Header (returnpath) über ein. Einige Unternehmen sind auch dazu übergegangen, zunächst dem Nutzer selbst eine E-Mail mit dem entsprechenden Text (und gegebenenfalls einem Rabattkode) zu zusenden, mit der Bitte, dies E-Mail an seinen Freund weiterzuleiten, der dann den Rabatt bei der Registrierung erhält.
      Ob der Bundesgerichtshof – der Laienwerbung schon immer kritisch gegenüberstand – solche Empfehlungen nach seinem weiten Werbegriff tolerieren wird, bleibt abzuwarten.

  3. Die wichtigste Änderung bei diesen Funktionen ist die Absender-Emailadresse des Empfehlenden/Werbenden zu verwenden. Wenn man diese Funktion nur registrierten Kunden zugänglich macht, schlägt man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Ein verpflichtendes vom Empfehlenden auszufüllendes Freitextfeld sollte auch mit genutzt werden. Allein schon bei der Umsetzung der Absender-Email wird die Beweisführung des Mailempfängers sehr schwierig…

  4. Hallo,

    es reicht gerade nicht, nur die Absender-Adresse zu ändern. Der BGH hat ganz klar 2 (!) Dinge als maßgeblich angesehen und nicht nur 1. Der zweite Punkt war, dass das Tell-a-Friend-Modul gerade zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt wird. Das wird gerne überlesen in dem Urteil.

    M.E. darf der Unternehmer kein einziges Wort der Mail vorgeben. Es darf kein Logo oder Ähnliches des Unternehmers im Inhalb der Mail vorkommen. Der Werbende muss den Text komplett selbst schreiben.

  5. Pingback: Anonymous
  6. Hallo,

    eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Urteil noch nirgends besprochen wurde: Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn die Website, auf der die Empfehlungsfunktion eingebunden ist, eine nichtkommerzielle Seite ist, auf der es auch keine Werbebanner gibt sondern nur Informationsinhalte? Kann man denn da überhaupt den Vergleich zu einer Werbe-E-Mail ziehen? Nach der Definition des BGH muss es doch um eine mindestens mittelbare Absatzförderung gehen. Was, wenn es nichts zum absetzen gibt?

    1. Auch ohne wirtschaftlichen Hintergrund kann es sich um unerlaubte Nutzung personenbezogner Daten handeln, die durch die Empfänger abgemahnt werden kann. Der Unterschied würde in der Höhe der Kosten einer Abmahnung bestehen. D.h. auch in diesem Fall sehe ich die Empfehlungsfunktion als gefährlich an.

      1. Ja, auch Privatpersonen können theoretisch wegen unerwünschter Mails abgemahnt werden, praktisch ist mir jedoch kein Fall in dieser Konstellation bekannt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen